Peer-to-Peer-Umfrage

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Wenn wir einfach keinen Bock mehr haben, könnte man vielleicht mal als Riesenaktion starten, dass einfach mal die ganze Jugend aus Berlin verschwindet. Dann sieht man mal, wie Berlin ohne Jugendaussieht.“ – Schülerin, 17

Alle aus der Stadt raus oder: Wem gehört die Stadt? – Die wohnwut-Peer-to-Peer-Umfrage

19 Interviewer im Alter zwischen 15 und 28 Jahren (Schüler, Auszubildende, FSJ’ler, Studenten und Absolventen) waren von Juli bis Oktober 2013 in allen zwölf Bezirken der Stadt unterwegs, um gleichaltrige Berliner zum Thema „Wohnen in Berlin“ zu befragen. In Parks und Grünanlagen, an U- und S-Bahnhöfen, in Schulen und Unis, in Kneipen und Cafés, in Einrichtungen für Betreutes Jugendwohnen und im Getümmel auf der Straße entstanden knapp 60 Stunden Interviewmaterial und O-Töne. 350 Gespräche geben Auskunft darüber, wie junge Berliner ihre Stadt erleben.

Gesprächsleitfaden Peer-to-Peer-Umfrage

Das Interviewmaterial wurde in einer Textdokumentation und einer halbstündigen Sounddokumentation aufbereitet.

„Du hast die Hauptstadt auf der einen Seite, du hast aber auch bestimmte Orte, wo du einfach chillen kannst.“ – Schülerin 16

„Ich mag die Offenheit der Stadt, das bunte Treiben, das Multikulturelle.“ – Student, 25

„Berlin sollte Berlin bleiben und nicht Hamburg werden.“ – Auszubildende, 21

Das Interviewmaterial bietet ein sehr komplexes und aufschlussreiches Bild darüber, wie junge Menschen unterschiedlichster Herkunft über Berlin als ihr Zuhause nachdenken. Sie geben Antwort darauf, was ihnen in Berlin gefällt und was nicht, ob Berlin auch die Stadt für ihre Zukunft ist, wie sie sich Berlin in zehn Jahren vorstellen, was für sie eine ideale Stadt wäre. Sie berichten von ihren aktuellen Wohnsituationen, ihren Kindheits- und ihren Wunschvorstellungen und warum sie es wichtig finden, irgendwann mal von zu Hause auszuziehen. Sie schildern ihre Erfahrungen bei der Wohnungssuche, berichten von überfüllten Besichtigungsterminen, WG-Massen-Castings und Begegnungen mit Vermietern, Maklern und Konkurrenten. Sie formulieren ihre wohnungspolitischen Wünsche und Forderungen, äußern sich zu explodierenden Mieten, Gentrifizierung und Kiezverdrängung und machen sich Gedanken darüber, ob wohnen ein Menschenrecht ist.

„Im Zentrum gibt es auf jeden Fall eine Wohnungsknappheit. Was ich doof finde oder nicht ideal, ist, dass sich dann so „Viertel“ bilden für die Sozialhilfeempfänger. Ich glaube, es ist nicht so gut durchmischt in Berlin. Ich denke jetzt z.B. an Gropiusstadt. Wo die Leute eher am Stadtrand leben, weil das Zentrum einfach zu teuer geworden ist.“ – Studentin, 19

„Es sollte kein Privileg sein, in der Stadt zu wohnen.“ – Praktikantin, 25

Bei aller Unterschiedlichkeit der Befragten, was Alter, Herkunft, aktuelle Situation und individuelle Vorlieben angeht: Fast alle äußern die Beobachtung, dass die Mieten in vielen Berliner Stadtteilen deutlich gestiegen sind, dass die Zahl der Bewerber um freie Wohnungen ebenfalls steigt und dass es für junge Menschen ohne festes Einkommen nahezu unmöglich geworden ist, überhaupt noch eine bezahlbare Wohnung in den „zentralen“ und besonders beliebten Bezirken (Mitte, Friedrichshain-Kreuzberg, Pankow, Charlottenburg-Wilmersdorf, Steglitz-Zehlendorf, Tempelhof-Schöneberg, Neukölln) zu finden. Die Befragten sorgen sich, dass Berlin eine ähnliche Entwicklung machen wird wie Hamburg oder München bzw. Paris oder London. Sie befürchten, dass Berlin in absehbarer Zeit nur noch für Reiche erschwinglich sein wird. Diese Angst eint „Urberliner“ wie Zugezogene. Das Gefühl, sozial abgehängt und verdrängt zu werden, ist groß. Ebenso die Sorge, dass Berlin seinen eigentlichen Charme verliert und eine Stadt wird, in der für junge Menschen und Subkultur kein Platz mehr ist.

„Jetzt ist es so: jeden Tag neue Rollkoffer, neue teure sanierte Häuser und alles so was. Man ist überhaupt nicht mehr für sich. Jeder wird hier vertrieben. So viele Leute mussten ausziehen, weil die ganzen Wohnungen immer teurer werden. Ich finde, Berlin hat den eigentlichen Flair voll verloren.“ – Schülerin, 17

„Wir werden total die versnobte Bonzenstadt werden.“ – Auszubildende, 20

Das Interviewmaterial der wohnwut-Peer-to-Peer-Umfrage bietet einen sehr vielfältigen Einblick in die Lebenswelt heutiger Jugendlicher und junger Erwachsener, den man selten so bekommt. Man spricht mit ihnen über das Thema „wohnen“ und wird sofort auf die ganz großen Fragen gestoßen: Wie wollen wir zusammen leben? Wer entscheidet darüber? Welche Rolle spielen junge Menschen in der Gesellschaft von heute? Wie kümmert sich die Politik darum? Wie groß ist die Fürsorgepflicht des Staats und wie groß die Macht des Marktes? Und nicht zuletzt: Wem gehört die Stadt? Wer darf hier sein und wer nicht?

„Die Stadt lebt ja von jungen Menschen, das zeichnet diese Stadt aus und das ist ja auch ihr Aushängeschild. Es wäre schön, dass man den Raum schützt, in dem die jungen Menschen leben, das fänd ich wichtig.“ – Studentin, 25

„Ich würde die Pflicht einführen, dass bestimmte Wohnungen im Haus auch für Hartz-IV-Empfänger oder Flüchtlinge bereitgestellt werden müssen – in jedem Wohnhaus.“ – Angestellter, 23

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